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Mit dem Baby nach Wladivostok (2006)
1. Reisebericht - Abreise

(7. Juni 2006)

 

Abreise

 

Doch soweit kam es gottseidank nicht. Am 3. Juni 2006, um 04:30 Uhr, brachte uns das Taxi nach Luzern an den Bahnhof. Die erste Bahnfahrt nach Zürich verlief friedlich, und beim Check-Inn war ich so aufgeregt wie nie zuvor. Doch die Angestellte vom Swiss Port Schalter hat wohl selber schon ähnliche Erfahrungen gemacht und verzichtete – ganz im Gegensatz zu unserem letzten Flug nach Moskau – drauf, Handgepäck und Kinderwagen (der mit den schwersten Dingen beladen war) abzuwägen!!! So gab es nur etwa 35 Kilogramm und wir konnten weiter zum Gate.

Um 7:50 Uhr hoben wir mit einem kleinen, aber gepflegten Airbus der Aeroflot ab nach Russland. Ein Babykörbchen bekamen wir nicht, auch keinen speziellen Sitz, sondern waren mittendrin in den engen Plätzen. Damit Anja keinen Ohrendruck bekam, musste sie während des Starts und des Steigfluges lange am Schoppen ziehen, was sie nur mit Mühe tat, denn lieber wollte sie schauen, was da rund um sie herum passiert. Doch es ging alles wunderbar und nach kurzer Zeit versank sie auf meinem Schoss bereits in tiefen Schlaf. Der Service der Aeroflot-Stewardessen war auffällig freundlich, vielleicht, weil wir mit einem Baby reisten? Das Essen kann man nicht gerade loben, aber immerhin gab es überhaupt etwas. Anja bekam sogar ein Geschenk von der Crew: ein Set mit Lätzchen, Nuggi, Feuchttüchlein und Windeln! Auch ein Menü hätte sie gekriegt, wäre sie dafür nicht noch zu klein gewesen!

Der Landeanflug bereitete schon viel mehr Probleme. Anja war wieder müde und wollte einfach nicht trinken. Wahrscheinlich bekam sie auch Ohrendruck, denn noch auf grosser Höhe weinte sie bitterlich. Es nützte alles nichts, wir mussten uns damit begnügen, dass sie am Nuggi zog, und hoffen, dass dies genügt. Kurz vor der eigentlichen Landung ging es ihr wieder besser und sie beruhigte sich und war neugierig, wo wir jetzt gelandet sind.

Wir kamen zur Passkontrolle. Der Flughafen Sheremetjevo 2 war mit Passagieren völlig überfüllt und die Schlangen endlos. Wir nahmen’s gelassen, Anja schlief und wir warteten... insgesamt dauerte die Einreiseprozedur geschlagene zwei Stunden! Der Schreck kam nach der Passkontrolle, als wir unser Gepäck abholen wollten. An keinem einzigen Gepäckband war natürlich unser Flieger mehr aufgeführt, weil inzwischen schon viele weitere Flugzeuge gelandet sind. Auch neben den Bändern fanden wir unsere guten Stücke nicht. Man schickte uns zum Fundbüro, wo etwa fünf Beamtinnen sassen. Eine spielte am Computer Karten ohne mit der Wimper zu zucken, eine andere telefonierte, wieder eine bediente eine einzige Kundin, die aber mit ausfüllen eines Formulares beschäftigt war und so locker zu mir sagte: „Habt Ihr Euer Gepäck auch nicht bekommen, oje, das wird schwierig....“. Man musste auf dem Formular eine Nachsendeadresse angeben und mir schwante schon übles, bevor ich an die Reihe kam. Meine Geduld war nun langsam wirklich zu ende und ich drängte mich vor. Aha, Flug SU 266 aus Zürich, ja, da sollen wir mal neben Band 8 schauen! Das war ja schon mal eine positive Antwort, ich hatte mir schon eine Reise ohne unser Gepäck vorgestellt, da wir schon mal in Sibirien drei Wochen vergeblich auf ein DHL-Paket gewartet hatten, das nach 2 – 3 Tagen hätte dort sein sollen...

Am Band 8 fanden wir tatsächlich in der Mitte unser Gepäck, einfach runtergeworfen. Doch ich dankte Gott und endlich konnten wir den Flughafen verlassen – sogar ohne das Gepäck durch den Zoll kontrollieren lassen zu müssen!

 

Moskau

Irina, unsere Transferfahrerin, war auch schon langsam ungeduldig. Wir waren froh, direkt mit ihr zu unserem Hotel fahren zu können. In Moskau war es ungewöhnlich heiss – 28° C zeigte das Thermometer – in der Schweiz hatte es in diesen Tagen so um die 10° C gehabt und wir waren viel zu warm eingepackt.

Die Fahrt dauerte gut eine Stunde quer durch die Stadt. Dieses Mal wohnten wir im Hotel Izmailov, im gleichnamigen Park. Der Hotelkomplex wurde anlässlich der Olympiade vor X-Jahren erbaut und die Häuser sehen auch entsprechend alt aus. Die Rezeption ist aber gepflegt und freundlich, das Zimmer im 28. Stock renoviert und angenehm. Endlich konnten wir uns ausbreiten und etwas erholen.

Am Abend holte uns unser Partner Mikhail und wir gingen zusammen in die Stadt. Mit einem „Reiseleiter“ macht das ganze natürlich mehr Spass, er weiss an jeder Metrostation und bei jedem Denkmal etwas zu erzählen, kann mit den Leuten verhandeln und uns geschickt von A nach B führen, ohne dass wir zigmal fragen und suchen müssen. Es gab schon ein paar Kleinigkeiten, wo wir echt froh um die Übersetzung waren, z. B. beim Geldwechseln. Aussen stand geschrieben $-Kurs 2663, als ich die Dollars hinblätterte, wollte die Frau aber nur noch 2500 zahlen!! Mikhail verlangte lauthals das Geld zurück und weiter ging’s zur nächsten Wechselstube! Also aufgepasst, wo Ihr Euer Geld umtauscht, besonders bei den vielversprechenden, z. T. vielleicht inoffiziellen Wechselbüros!

Nach dem obligaten Besuch auf dem Roten Platz, an dessen Ende gerade das legendäre Hotel Rossja abgerissen wird, ging’s weiter in die Arbat Strasse, der beliebtesten Fussgängerzone Moskaus, wo wir in einem kaukasischen Restaurant ein feines Znacht vom offenen Feuer genossen. Anja und auch wir wurden langsam müde und fuhren schliesslich mit der Metro wieder zurück in unser Hotel.

Am nächsten Morgen besuchten wir noch den sehr empfehlenswerten Handwerkermarkt im Izmailov-Park, bevor uns Irina wieder abholte und zum Kazaner Bahnhof brachte. Dieser wirkt moderner als der Transsib-Bahnhof Jaroslav, liegt aber auch auf dem gleichen Platz. Damit wir zu christlicher Zeit in Novosibirsk ankommen werden, fuhren wir mit dem Zug Nr. 76 – der uns auch später auf dieser Reise auf der BAM-Route transportieren wird. Wir hatten ein ganzes Abteil gebucht, da es keine 1. Klasse Abteile gibt und damit wir mit Anja trotzdem genügend Platz haben. Das brachte die Zugbegleiterinnen in Aufruhr, Anja hatte kein eigenes Billett und es gab einige Aufregung. Schlussendlich mussten wir sogar Mikhail anrufen und noch 45 rub. dazuzahlen, dann war die Sache in Ordnung. In diesem nicht-touristischen Zug sprach kein Mensch englisch und es war ein reines Abenteuer, sich mit den Leuten zu verständigen.

Die dreitägige Fahrt verlief friedlich, die Leute in unserem Waggon waren sehr anständig, die Landschaft bis Novosibirsk eher unspektakulär. Im Sommer sieht man viel mehr den Zerfall entlang der Strecke, die alten Fabriken und der Schrott wird im Winter vom Schnee zugedeckt und lässt die Landschaft dann eher wie ein Wintermärchen erscheinen. Überhaupt dünkt mich, die Kluft zwischen Arm und Reich scheint immer stärker zu werden, das Abgleiten der Armen und Arbeitslosen in Alkohol und Verbitterung stark zu steigen. Ich frage mich, wie es hier wohl in zehn Jahren aussehen wird?

p>Wir verpflegten uns wie gewohnt auf den Bahnsteigen, wo jetzt im Sommer überall Hochbetrieb herrschte. Man konnte zwischen verschiedenen, frisch zubereiteten Menüs auswählen, welche die Babuschkas den Bahnreisenden für wenig Geld anbieten. Hoch im Kurs war auch Eis, denn die Temperaturen hier in Sibirien betragen tatsächlich um die 30° C und ohne Klimaanlage auch in diesem älteren Zug hätte man es wohl kaum ausgehalten.