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Wiedersehen mit dem Baikalsee (2011)
Insel Olchon

Wie schön ist es endlich wieder hier zu sein! Wir geniessen den Augenblick am Strand zu stehen und den Baikalsee zu betrachten, nachdem wir aus dem Schiff ausgestiegen sind. Ein Taxi von Nikita holt uns ab und bringt uns die paar Meter bis zur Unterkunft. Wir erkennen das Gästehaus nicht wieder, in dem wir vor vielen Jahren das letzte Mal gewohnt haben. Dazumal hatte es ein paar wenige Häuschen, jetzt ist es ein grosses Dorf geworden. Fast jeder in Chuschir ist irgendwie mit Nikita verbunden, und dank ihm haben viele Bewohner eine Arbeit, nachdem in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die grosse Fischfabrik wegen der Wirtschaftskrise schliessen musste. Nikita engagiert sich sehr für „seine“ Insel, und wirtschaftet nicht nur des Geldes wegen. Bei ihm wird sogar der Abfall getrennt, der sonst einfach überall herumliegt weil es auf Olchon keine geregelte Müllabfuhr gibt.


Wir wohnen dieses Mal in einem kleinen Holzhäuschen mit zwei Zimmern, Dusche und Toilette, auf seinem neuen Grundstück. Die Häuser auf Olchon sind nicht an eine Wasserversorgung oder Kanalisation angeschlossen, und das Wasser wird mit Lastwagen angeliefert. Mittlerweile gibt es hier zwei Restaurants, wo man sich drei Mal am Tag an einem Buffet verpflegen kann. Alles wird selber gemacht, sogar die Nudeln, und das Gemüse kommt direkt aus dem Garten. Ein riesiger Aufwand, essen doch in der Hochsaison 200 Gäste hier! Zum Übernachten hat es für 100 Personen Platz, und abends wenn alle von den Ausflügen zurück kommen gibt es zuweil ein rechtes Gedränge. Trotzdem ist es recht friedlich, und Nikita ist auch strikt gegen Alkohol und Diskobetrieb, statt dessen organisiert er fast jeden Abend ein Folklorekonzert, oder man sitzt am Lagerfeuer und erzählt sich Geschichten.

 

 

Der grosse Nachteil sind die vielen Russischen Touristen, die keinen Respekt vor der Natur und den Heiligtümern der Burjaten haben, überall den Abfall liegen lassen und auf dem heiligen Schamanenfelsen herumklettern, eine Sünde die einfach nicht begangen werden sollte. Auch fahren in den Buchten mittlerweile Jetskies herum, auf den Pisten in Olchon begegnet man Quad’s und anderen lärmenden Motorfahrzeugen, und die Zahl der Autos hat drastisch zugenommen. Dafür haben die Bewohner ganz viele Souvenir- und andere Geschäfte entlang der Hauptstrasse aufgebaut, die ihnen ein Einkommen ermöglichen, keine Selbstverständlichkeit für so ein Dorf das bis vor wenigen Jahren noch nicht mal an die Stromversorgung, geschweige denn ans Telefonnetz angeschlossen war.

 

Unser Häuschen ist so gemütlich, dass sowohl die Kinder wie wir tief und lange schlafen. Nach dem Frühstück machen wir einen Rundgang durch’s Dorf und schauen den Männern zu, wie sie mit einer Bohrmaschine ein Seil herstellen! Dazu haben sie eine Art Haken in die Maschine eingespannt, rund 10 m weiter am anderen Ende steht wieder ein Mann der das andere Ende hält, und dann wird der Bohrer angeschaltet und die dünnen Schnüre zu einer dicken zusammengedreht! So einfach geht das, man muss nur Ideen haben! Aus den Vorhangstangen aus Metall die man an den alten Türen und Fenstern hat, lassen sich z. B. ganz tolle Schaschlikspiesse machen!

 

Das Dorf ist auch fast nicht mehr wiederzuerkennen. Das eine schöne Holzhaus von welchem ich dazumal viele Fotos gemacht habe, erstrahlt nicht mehr in dem Glanz in dem es einmal war. Der hübsche Holzzaun ist einer Wellblechmauer gewichen, der schöne Birkenbaum halb abgestorben. Es sieht aus als wären die alten Bewohner gestorben und die neuen bewirten es nicht mehr mit der gleichen Sorgfalt. So ist das eben, wenn der Zahn der Zeit an den Dingen nagt. Irgendwann vergeht alles wieder – ausser den Glas- und Plastikflaschen mit denen niemand etwas anzufangen weiss und die überall herumliegen.

 

Im grössten Geschäft der Insel, dem Gastronom, decken wir uns mit allerlei Dingen ein. Dazu muss man warten bis man an der Reihe ist, dann der Verkäuferin alles mitteilen was man haben möchte. Diese trägt es zusammen und rechnet noch auf dem Abakus – vermehrt aber auch schon mit dem Taschenrechner, den Preis aus, und sobald man bezahlt hat bekommt man die Sachen ausgehändigt. So einfach geht das das nichts gestohlen wird! Und gelobt sei der der Russisch kann!

 

Den Nachmittag verbringen wir am kleinen Sandstrand gleich hinter dem Schamanenfelsen, ganz nah von unserer Unterkunft. Die Kinder sind happy, sie können im Sand spielen solange sie wollen. Das Wasser des Baikalsees ist eiskalt, aber zum plantschen ist ihnen das egal. Der ganze Strand ist voll mit Familien mit Kindern – wir sind natürlich die einzigen Ausländer. Aber das spielt keine Rolle, die Menschen finden es immer wieder witzig wieso unsere Kinder russische Namen haben, und merken oft lange nicht das wir gar nicht von hier sind. Sascha sähe aus wie ein Russe, sagten sie uns schon! Und tatsächlich, einmal hat ihn Andi mit einem anderen Bub verwechselt, der sogar noch die gleiche Jacke hatte! Wie das möglich ist weiss ich auch nicht…

 

Der Baikalsee ist wieder total ruhig, seine Oberfläche spiegelglatt. Die Götter sind wohl zufrieden dass wir nicht mehr auf ihm herumfahren. Keinen einzigen Tag mehr gibt es solche Wellen wie bei unserer Ankunft! Man kann tief auf den Grund sehen, so klar ist das Wasser. Es ist das sauberste Wasser dass es gibt, und man kann es bedenkenlos trinken. Es ist einfach nur herrlich, und ich bin endlich da wo ich schon lange sein wollte! Wie schön ist doch dieses Gefühl! Wie spannend wäre hier das Leben!

 

Die Kinder haben sich so mit Sand zugeschüttet, dass nur noch ein Bad in der Banja hilft sie wieder sauber zu kriegen. Die Banja ist ja ein russisches Dampfbad. In einem mit Holz befeuerten Ofen wird Wasser heiss gemacht. Das mischt man dann mit dem kalten und übergiesst sich mit grossen Schöpfkellen. Perfekt ist es, wenn man Birkenruten hat, die man sich über den Körper schlägt um die Durchblutung anzuregen. Uns reicht es erstmal mit waschen und etwas Wärme tanken – obwohl es tagsüber draussen gute 25 ° C hat. In der Nacht wird es empfindlich kalt, und wir müssen selbst im Häuschen dicke Kleider anziehen und in der 2. Nacht auch heizen. Gottlob hat Youri unser Zeltabenteuer abgesagt und eine Unterkunft irgendwo in einem Haus organisiert, wir wären sonst am nächsten Morgen tiefgefroren!

 

Uns stand statt inzwischen noch ein aufregendes Jeepabenteuer bevor. Volodja holt uns in einem uralten UAZ Jeep bei Nikita ab. Der Jeep hat nur ein Blachenverdeck, und seine 200‘000 Pistenkilometer sieht man ihm deutlich an. Aber unser Fahrer hat schon ein gewisses Alter und damit die nötige Erfahrung und Sorgfalt, um mit diesem Fahrzeug auch die schwierigsten Pisten zu meistern. Das kommt uns in jedem Fall zu gute, denn auf Olchon gibt es keine einzige befestige Strasse, nicht mal eine anständige Piste, sondern nur sehr schwer befahrbare Fahrspuren und anspruchsvolles Gelände. Mit den Kindern auf dem Schoos ist das gar nicht so einfach, aber schon bald stellt sich heraus, dass gerade unsere Jüngsten den grössten Spass an den schwierigsten Passagen haben.

 

Unsere Fahrt führt uns in die Mitte der Insel, zuerst zu einem herrlichen Aussichtspunkt etwas ausserhalb von Chuschir, dann hoch in die Berge über Stock und Stein. Als wir den Bergrücken überquert und auf der anderen Seite wieder ein Stück nach unten gefahren sind, hält Volodja an und weist uns an, doch zu Fuss das Stück zum Baikalsee zu laufen, es werde ca. 50 Min. dauern und er mache inzwischen Feuer und Mittagessen.

Wir sind die ersten an diesem Morgen in dem herrlichen Tal, und treffen auf unzählige Schmetterlinge und sogar einen Auerhahn, der erschrocken davonfliegt. Die Kräuter und Blumen die hier wachsen verströmen einen wunderbaren Duft, und die Luft ist rein und klar wie nirgendwo anders. Grillen und Vögel sind die einzigen Geräusche die wir neben unseren Schritten hören. Wir wandern über Stock und Stein durch lichten Wald und blühende Wiesen, bis wir von weitem den Baikalsee sehen. Die Distanz bis an sein Ufer erscheint uns aber viel zu lang, und wir sind auch schon einige Zeit unterwegs und die Kinder langsam müde. Nach einer kleinen Rast entscheiden wir uns deshalb für den Rückweg.

Nun ist es vorbei mit der Ruhe und einige russische Touristen kommen uns entgegen. Der Aufstieg ist strenger als erwartet und geht in die Beine, die Kinder kommen an ihre Grenzen. Langsam, Schritt für Schritt, gelangen wir schliesslich zurück zu unserem Fahrer der inzwischen Gesellschaft von anderen Kollegen bekommen hat. Er hat für uns auf dem Feuer Suppe und Fisch gekocht, dazu gibt es den obligaten Tomaten-Gurken Salat und Brot. Anja ist so müde dass sie sich gleich neben dem Auto in die Wiese legt und nicht mehr essen mag. Wir geniessen die Mahlzeit vom Feuer und schauen den anderen Fahrern zu wie sie in grossen Kesseln über dem Lagerfeuer für ihre Gäste kochen.

 

Unsere Fahrt geht weiter auf einer fast nicht zu erkennenden Piste durch dichten Lärchenwald. Die Bäume sind ziemlich havariert und liegen oft kreuz und quer über unseren Weg. Einige können wir überfahren, bei anderen müssen wir einen Weg zwischen den Bäumen hindurchsuchen, was einmal dem Rückspiegel herb zusetzt. Die Kinder staunen, was so ein Jeep alles fertigbringt, ich bin nur froh wenn wir da heil durchkommen. Die Bäume so nah am Auto gefallen gar nicht, obwohl es doch trotzdem ein ganz spannendes Abenteuer ist und unser Fahrer auch wirklich vorsichtig fährt.

 

Als wir den Wald hinter uns haben, kommen wir auf eine wunderschöne Ebene. Noch ein Stück weiter treffen wir auf die Hauptpiste und gelangen bald zum Shara Nuur See. Der See ist salzhaltig und seinem Schlamm wird eine heilende Wirkung nachgesagt. Allerdings ist das Wasser auf der Haut so klebrig, dass es ziemlich eklig ist, darin zu baden und sich anschliessend nirgends abwaschen zu können, denn natürlich ist weit und breit nichts vorhanden ausser der wunderbaren Natur. So begnügen wir uns mit Fotografieren und Geniessen und fahren dann weiter hinunter zum Baikalsee und zum Chankhoi See.

 

Dieser ist durch eine Sandbank vom Baikalsee fast vollständig getrennt, daher erwärmt sich das Wasser viel stärker und zieht viele Badefreunde und Wildcamper an. Der Wind der aber über die Bucht weht, trübt das Badevergnügen, denn er ist ziemlich frisch! Aber so sind die Temperaturen zum Sändele für die Kinder ganz angenehm und wir verbringen einige Stunden am Strand, bevor es später zurück zu unserem Camp bei Nikita geht.

 

Am letzten Tag auf der Insel ist das Wetter etwas unserer Stimmung angepasst – grau und trüb und traurig darüber dass der Aufenthalt schon wieder zu Ende geht, könnte man hier doch noch soviel unternehmen… Aber es ist immer das gleiche in Russland, man kann es drehen und wenden wie man will, die Zeit ist immer zu kurz oder das Land einfach zu gross… Wie auch immer, wir haben uns sowieso vorgenommen, ein wenig im Dorf herumzugehen, und machen uns auf den Weg zur alten Fischfabrik. Unterwegs gibt es einen neuen Spielplatz gleich neben der Kirche, und die Familien von Chuschir sind sehr glücklich darüber – wie wir natürlich in diesem Fall auch.

 

Die alte Fischfabrik ist nur noch eine Ruine. Sie wurde in den ?? 60er Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet und dank ihr gelang Chuschir der wirtschaftliche Aufschwung. Viele Menschen lebten hier und hatten eine Arbeit. Es ging aber immer auf- und ab, und mit der Krise in den 90er Jahren musste die Fabrik endgültig schliessen und die Arbeiter entlassen. Die meisten Menschen verliessen den Ort, der Strom wurde abgestellt und alles, inkl. der Schiffe, sich selbst überlassen. Im Hafen liegt noch ein verrosteter Riesenkahn, auf dem heute Fischer ihre Angeln auswerfen, und am Strand liegen die kleineren Boote die irgendwann einmal komplett verrosten aber jetzt wohl noch jahrzehntelang ein Mahnmal der Vergangenheit darstellen. Dazwischen spielen Kinder und gehen sogar baden. Nach dem Niedergang der Fischfabrik zogen nur noch Künstler und Naturliebhaber auf die Insel, denen die gute Luft mehr wert war als Komfort, und langsam, langsam stellt sich jetzt mit dem Tourismus wieder nach und nach mehr Wohlstand ein. Es bleibt allerdings zu hoffen dass dieser nicht auf Kosten der sehr sensiblen Natur und auch der schamanistischen Kultur geschieht, denn leider haben besonders die russischen Touristen die Angewohnheit ihren Müll einfach überall liegen zu lassen und keinen Platz ohne deutliche Spuren zu hinterlassen. Wir haben lange diskutiert was man dagegen machen könnte, doch all unsere Ideen wurden zurückgewiesen. Ich hoffe sehr dass bald einmal jemandem eine Lösung für diese grosse Problem einfällt und die auch sofort umgesetzt wird, denn schliesslich ist die Insel Teil des Pribaikal-Nationalpark und der Baikalsee und Region auch Weltkulturerbe der UNESCO – also wo bitte bleiben die Leute die dafür sorgen das diese Region auch den nötigen Schutz erhält?

 

Wir Schweizer haben gelernt unseren Müll mitzunehmen und den Platz sauberer zu hinterlassen als wir ihn angetroffen haben, und wenn Ihr dazu auch noch beachtet dass man nicht auf den Schamanenfelsen klettern darf – egal was die anderen machen, mache ich mir um die Schweizer Touristen keine Sorgen, vielleicht können wir ja sogar als Vorbilder einmal irgendetwas nützliches bewirken, wer weiss? Wenigstens veranstaltet Green Peace Russland auch zusammen mit Nikita jeweils eine Aufräumaktion, was aber hoffentlich irgendwann in naher Zukunft gar nicht mehr nötig sein sollte…

Der grosse Nachteil sind die vielen Russischen Touristen, die keinen Respekt vor der Natur und den Heiligtümern der Burjaten haben, überall den Abfall liegen lassen und auf dem heiligen Schamanenfelsen herumklettern, eine Sünde die einfach nicht begangen werden sollte. Auch fahren in den Buchten mittlerweile Jetskies herum, auf den Pisten in Olchon begegnet man Quad’s und anderen lärmenden Motorfahrzeugen, und die Zahl der Autos hat drastisch zugenommen. Dafür haben die Bewohner ganz viele Souvenier- und andere Geschäfte entlang der Hauptstrasse aufgebaut, die ihnen ein Einkommen ermöglichen, keine Selbstverständlichkeit für so ein Dorf das bis vor wenigen Jahren noch nicht mal an die Stromversorgung, geschweige denn ans Telefonnetz angeschlossen war.


Unser Häuschen ist so gemütlich, dass sowohl die Kinder wie wir tief und lange schlafen. Nach dem Frühstück machen wir einen Rundgang durch’s Dorf und schauen den Männern zu, wie sie mit einer Bohrmaschine ein Seil herstellen! Dazu haben sie eine Art Haken in die Maschine eingespannt, rund 10 m weiter am anderen Ende steht wieder ein Mann der das andere Ende hält, und dann wird der Bohrer angeschaltet und die dünnen Schnüre zu einer dicken zusammengedreht! So einfach geht das, man muss nur Ideen haben! Aus den Vorhangstangen aus Metall die man an den alten Türen und Fenstern hat, lassen sich z. B. ganz tolle Schaschlikspiesse machen!



Das Dorf ist auch fast nicht mehr wiederzuerkennen. Das eine schöne Holzhaus von welchem ich dazumal viele Fotos gemacht habe, erstrahlt nicht mehr in dem Glanz in dem es einmal war. Der hübsche Holzzaun ist einer Wellblechmauer gewichen, der schöne Birkenbaum halb abgestorben. Es sieht aus als wären die alten Bewohner gestorben und die neuen bewirten es nicht mehr mit der gleichen Sorgfalt. So ist das eben, wenn der Zahn der Zeit an den Dingen nagt. Irgendwann vergeht alles wieder – ausser den Glas- und Plastikflaschen mit denen niemand etwas anzufangen weiss und die überall herumliegen.


Im grössten Geschäft der Insel, dem Gastronom, decken wir uns mit allerlei Dingen ein. Dazu muss man warten bis man an der Reihe ist, dann der Verkäuferin alles mitteilen was man haben möchte. Diese trägt es zusammen und rechnet noch auf dem Abakus – vermehrt aber auch schon mit dem Taschenrechner, den Preis aus, und sobald man bezahlt hat bekommt man die Sachen ausgehändigt. So einfach geht das das nichts gestohlen wird! Und gelobt sei der, der Russisch kann!

 

Uns stand statt dessen ein aufregendes Jeepabenteuer bevor. Volodja holt uns in einem uralten UAZ Jeep bei Nikita ab. Der Jeep hat nur ein Blachenverdeck, und seine 200‘000 Pistenkilometer sieht man ihm deutlich an. Aber unser Fahrer hat schon ein gewisses Alter und damit die nötige Erfahrung und Sorgfalt, um mit diesem Fahrzeug auch die schwierigsten Pisten zu meistern. Das kommt uns in jedem Fall zu gute, denn auf Olchon gibt es keine einzige befestige Strasse, nicht mal eine anständige Piste, sondern nur sehr schwer befahrbare Fahrspuren und anspruchsvolles Gelände. Mit den Kindern auf dem Schoss ist das gar nicht so einfach, aber schon bald stellt sich heraus, dass gerade unsere Jüngsten den grössten Spass an den schwierigsten Passagen haben.



Unsere Fahrt führt uns in die Mitte der Insel, zuerst zu einem herrlichen Aussichtspunkt etwas ausserhalb von Chuschir, dann hoch in die Berge über Stock und Stein. Als wir den Bergrücken überquert und auf der anderen Seite wieder ein Stück nach unten gefahren sind, hält Volodja an und weist uns an, doch zu Fuss das Stück zum Baikalsee zu laufen, es werde ca. 50 Min. dauern und er mache inzwischen Feuer und Mittagessen.



Wir sind die ersten an diesem Morgen in dem herrlichen Tal, und treffen auf unzählige Schmetterlinge und sogar einen Auerhahn, der erschrocken davonfliegt. Die Kräuter und Blumen die hier wachsen verströmen einen wunderbaren Duft, und die Luft ist rein und klar wie nirgendwo anders. Grillen und Vögel sind die einzigen Geräusche die wir neben unseren Schritten hören. Wir wandern über Stock und Stein durch lichten Wald und blühende Wiesen, bis wir von weitem den Baikalsee sehen. Die Distanz bis an sein Ufer erscheint uns aber viel zu lang, und wir sind auch schon einige Zeit unterwegs und die Kinder langsam müde. Nach einer kleinen Rast entscheiden wir uns deshalb für den Rückweg. Nun ist es vorbei mit der Ruhe und einige russische Touristen kommen uns entgegen. Der Aufstieg ist strenger als erwartet und geht in die Beine, die Kinder kommen an ihre Grenzen. Langsam, Schritt für Schritt, gelangen wir schliesslich zurück zu unserem Fahrer der inzwischen Gesellschaft von anderen Kollegen bekommen hat. Er hat für uns auf dem Feuer Suppe und Fisch gekocht, dazu gibt es den obligaten Tomaten-Gurken Salat und Brot. Anja ist so müde dass sie sich gleich neben dem Auto in die Wiese legt und nicht mehr essen mag. Wir geniessen die Mahlzeit vom Feuer und schauen den anderen Fahrern zu wie sie in grossen Kesseln über dem Lagerfeuer für ihre Gäste kochen.

Unsere Fahrt geht weiter auf einer fast nicht zu erkennenden Piste durch dichten Lärchenwald. Die Bäume sind ziemlich havariert und liegen oft kreuz und quer über unseren Weg. Einige können wir überfahren, bei anderen müssen wir einen Weg zwischen den Bäumen hindurchsuchen, was einmal dem Rückspiegel herb zusetzt. Die Kinder staunen, was so ein Jeep alles fertigbringt, ich bin nur froh wenn wir da heil durchkommen. Die Bäume so nah am Auto gefallen mir nicht unbedingt so sehr, obwohl es doch trotzdem ein ganz spannendes Abenteuer ist und unser Fahrer auch wirklich vorsichtig fährt.



Als wir den Wald hinter uns haben, kommen wir auf eine wunderschöne Ebene. Noch ein Stück weiter treffen wir auf die Hauptpiste und gelangen bald zum Shara Nuur See. Der See ist salzhaltig und seinem Schlamm wird eine heilende Wirkung nachgesagt. Allerdings ist das Wasser auf der Haut so klebrig, dass es ziemlich eklig ist, darin zu baden und sich anschliessend nirgends abwaschen zu können, denn natürlich ist weit und breit nichts vorhanden ausser der wunderbaren Natur. So begnügen wir uns mit Fotografieren und Geniessen und fahren dann weiter hinunter zum Baikalsee und zum Chankhoi See. Dieser ist durch eine Sandbank vom Baikalsee fast vollständig getrennt, daher erwärmt sich das Wasser viel stärker und zieht viele Badefreunde und Wildcamper an. Der Wind der aber über die Bucht weht, trübt das Badevergnügen, denn er ist ziemlich frisch! Aber so sind die Temperaturen zum Sändele für die Kinder ganz angenehm und wir verbringen einige Stunden am Strand, bevor es später zurück zu unserem Camp bei Nikita geht.



Am letzten Tag auf der Insel ist das Wetter etwas unserer Stimmung angepasst – grau und trüb und traurig darüber dass der Aufenthalt schon wieder zu Ende geht, könnte man hier doch noch soviel unternehmen… Aber es ist immer das gleiche in Russland, man kann es drehen und wenden wie man will, die Zeit ist immer zu kurz oder das Land einfach zu gross…



Wie auch immer, wir haben uns sowieso vorgenommen, ein wenig im Dorf herumzugehen, und machen uns auf den Weg zur alten Fischfabrik. Unterwegs gibt es einen neuen Spielplatz gleich neben der Kirche, und die Familien von Chuschir sind sehr glücklich darüber – wie wir natürlich in diesem Fall auch.



Die alte Fischfabrik ist nur noch eine Ruine. Sie wurde in den  60er Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet und dank ihr gelang Chuschir der wirtschaftliche Aufschwung. Viele Menschen lebten hier und hatten eine Arbeit. Es ging aber immer auf- und ab, und mit der Krise in den 90er Jahren musste die Fabrik endgültig schliessen und die Arbeiter entlassen. Die meisten Menschen verliessen den Ort, der Strom wurde abgestellt und alles, inkl. der Schiffe, sich selbst überlassen. Im Hafen liegt noch ein verrosteter Riesenkahn, auf dem heute Fischer ihre Angeln auswerfen, und am Strand liegen die kleineren Boote die irgendwann einmal komplett verrosten aber jetzt wohl noch jahrzehntelang ein Mahnmal der Vergangenheit darstellen. Dazwischen spielen Kinder und gehen sogar baden.



Nach dem Niedergang der Fischfabrik zogen nur noch Künstler und Naturliebhaber auf die Insel, denen die gute Luft mehr wert war als Komfort, und langsam, langsam stellt sich jetzt mit dem Tourismus wieder nach und nach mehr Wohlstand ein. Es bleibt allerdings zu hoffen dass dieser nicht auf Kosten der sehr sensiblen Natur und auch der schamanistischen Kultur geschieht, denn leider haben besonders die russischen Touristen die Angewohnheit ihren Müll einfach überall liegen zu lassen und keinen Platz ohne deutliche Spuren zu hinterlassen. Wir haben lange diskutiert was man dagegen machen könnte, doch all unsere Ideen wurden zurückgewiesen. Ich hoffe sehr dass bald einmal jemandem eine Lösung für diese grosse Problem einfällt und die auch sofort umgesetzt wird, denn schliesslich ist die Insel Teil des Pribaikal-Nationalpark und der Baikalsee und Region auch Weltkulturerbe der UNESCO – also wo bitte bleiben die Leute die dafür sorgen das diese Region auch den nötigen Schutz erhält?



Wir Schweizer haben gelernt unseren Müll mitzunehmen und den Platz sauberer zu hinterlassen als wir ihn angetroffen haben, und wenn Ihr dazu auch noch beachtet dass man nicht auf den Schamanenfelsen klettern darf – egal was die anderen machen, mache ich mir um die Schweizer Touristen keine Sorgen, vielleicht können wir ja sogar als Vorbilder einmal irgendetwas nützliches bewirken, wer weiss?